Juli 2024: Diamantener Meisterbrief für Dieter Deutsch aus Velpke

Dieter Deutsch aus Velpke erhält
den diamantenen Meisterbrief

Der heute 86 Jahre alte Meister für Elektroinstallation würde alles noch einmal so machen.
Seine Geschichte ist auch eine deutsch-deutsche Geschichte.

Diamantener Meisterbrief für Dieter Deutschv (2.v.r.), hier mit Martin Bauermeister, Renate Deutsch und Claudius Nitschke – Foto – Privat

Velpke. Junge Menschen sollten unbedingt ins Handwerk gehen. Das sagte der Elektroinstallateurmeister Dieter Deutsch aus Velpke. Dieser Tage erhielt er den diamantenen Meisterbrief aus den Händen des Kreishandwerksmeisters Martin Bauermeister und des Geschäftsführers der Kreishandwerkerschaft Helmstedt-Wolfsburg Claudius Nitschke. 60 Jahre Meister im Elektrohandwerk – der Jubilar bereut keine Sekunde seines Handwerkerlebens. Wir trafen den Handwerker im Ruhestand im Betrieb, den heute sein Sohn Andreas Deutsch leitet.

Abgegeben und abgenabelt habe er sich, sagt er lachend. Dabei wohnt Dieter Deutsch mit seiner Frau Renate direkt über der Werkstatt des Betriebes. Aber den überlässt er seinem Sohn Andres, dessen Belegschaft und seinem Enkel Julius Löber, Tischlermeister und unterwiesene Elektrofachkraft mit festgelegten Tätigkeiten. Seit Februar komplettiert er das Deutsch-Team. Unterwiesene Fachkraft – solche Bezeichnungen gab es zu Zeiten Dieter Deutschs nicht. „Heute ist ja alles ganz anders“, erklärt der Altmeister. Und das fängt bei der Berufsbezeichnung an: Dieter Deutsch hat Elektroinstallateur gelernt. Sein Traumberuf, der heute Elektroniker für Gebäude- und Systemtechnik heißt. Na gut, auch inhaltlich hat sich was geändert, wenngleich: „Die Grundlagen der Physik sind geblieben“, betonen Dieter und Andreas Deutsch.

Schon immer habe er genau diesen Beruf erlernen wollen. Doch damals, in den 50er Jahren, gab es keine Lehrstellen. „Ich sollte in einem Fischladen anfangen“, erinnert sich Deutsch, aber: „Nee, habe ich gesagt, den Heringsbändiger mache ich nicht.“ Sein Glück auf dem Weg zum Glück war die beginnende Lehre bei einem alten Handwerker in Wolfsburg. „Der war zwangsverpflichtet worden, kam aus den heutigen östlichen Bundesländern.“ Ein Nähmaschinen- und Zweiradmechanikermeister. Nicht gerade der Traumberuf. Doch die Dinge erledigen sich manchmal von, nun ja, alleine. „Der Meister starb an einem Herzinfarkt“, erzählt Dieter Deutsch. Sein Glück im Unglück, denn in Oebisfelde (Sachsen-Anhalt) hatte sich eben ein Elektroinstallateur niedergelassen, und Dieter wechselte nach einer Stippvisite bei den Nähmaschinen und Zweirädern in seinen Traumberuf.

Wenn Dieter Deutsch erzählt, dann ist das auch ein Streifzug durch die deutsch-deutsche Geschichte. Nur wenige Jahre später hätte er seine Ausbildung nicht mehr in Oebisfelde absolvieren können. „Als die Grenze 1961 dicht gemacht wurde, war ich schon hier in Velpke“, sagt er. Bewegte Zeiten, die er noch bewegter für sich gestaltete. Per Sondergenehmigung führte er seinen Betrieb bereits. Das war 1962. Die Genehmigung galt bis zur bestandenen Meisterprüfung. Und so gondelte er mit dem Haifischmaul-Opel-Rekord Abend für Abend nach Braunschweig zur Berufsschule. „Je nach Wetterlage dauerte das. Die Autobahn gab es damals noch nicht.“ Jedenfalls nicht die A 39. 1964 absolvierte er alsdann die Prüfung zum Meister im ersten Anlauf. Ehrensache, wenngleich: „Die wollten zunächst wissen, wieviele Bäume auf dem Domplatz in Braunschweig stehen“, erinnert sich Deutsch. Baumzahlen zur Meistersprüfung – da ging es wohl um eine wache Wahrnehmung. Niemand habe sich die Zahl der Bäume gemerkt, schmunzelt der Altmeister.

60 Jahre im Handwerk sind 60 Jahre Veränderung: „Wir hatten andere Steuergesetze, ein Prozent im Großhandel, sonst vier Prozent Umsatzsteuer. Damals waren 80 Prozent unserer Kunden Landwirte, heute gibt es kaum mehr welche.“ Das Verhältnis Handwerk zu Büroarbeit habe bei 80 zu 20 Prozent gelegen. Früher habe die Decke des Ladenlokals voller Lampen gehangen. „Sowas kauft niemand mehr im Einzelhandel“. Baumärkte habe es zu seiner Zeit zunächst noch nicht gegeben. Und: „Damals war der Vertreter alle 14 Tage vor Ort, und fünf Tage später kam die Ware. Heute ruft man bis 21 Uhr an und um fünf Uhr morgens steht alles auf dem Hof.“ Man könne nicht immer sagen, früher sei alles besser gewesen. „An Veränderung muss man sich gewöhnen“, sagt der 86-jährige Meister. 30 Menschen hat er ausgebildet. Eine Sachen hat sich aber wohl nicht wesentlich geändert: Die Nähe der Industrie macht es dem Handwerk schwer.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner